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Copyright KLAR! Zukunftsregion Ennstal, 2023

Zuletzt aktualisiert: September 2023

Nach der erfolgreichen ersten Veranstaltung der KLAR! Ennstal Schutzwald-Wild Dialogreihe in Öblarn ging am vergangenen Mittwoch in der Gemeinde Sölk der zweite Teil über die Bühne. Veranstaltet wurden die beiden hochkarätig besetzten Dialoge auf Initiative der KLAR! Zukunftsregion Ennstal in enger Kooperation mit dem Naturpark Sölktäler, dem Waldverband Steiermark, der Ennstaler Jägerschaft und dem Land Steiermark. An beiden Terminen konnten insgesamt rund 190 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus den Bereichen Jagd, Forstwirtschaft, Gemeinden, Behörden, Bevölkerung und Tourismus verzeichnet werden. Sie zeugen von der hohen Wichtigkeit und der Brisanz des Themas. Trotz der teilweise sehr kontroversen Diskussion sticht ein Grundtenor eindeutig hervor: Lösungen können nur gemeinsam gefunden und umgesetzt werden!

Schutzwald geht uns alle an. Er kann seine Schutzfunktion für die Bevölkerung und die Infrastruktur aber nur erfüllen, wenn er klimafit wird. Es gilt, einen standortgerechten Mischwald zu fördern, die Altersstruktur zu diversifizieren und vor allem die Verjüngung voranzutreiben. Rund 42% oder 1,6 Millionen Hektar der gesamten Waldfläche in Österreich ist als Schutzwald ausgewiesen, aber nur auf 30% der Flächen mit notwendiger und vorhandener Verjüngung werden keine Wildschäden verzeichnet. Das Hauptproblem liegt folglich laut dem kürzlich vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft publizierten Österreichischen Waldbericht 2023 in der fehlenden Verjüngung: „Rot-, Reh- und Gamswild weichen in die für Menschen schwieriger zugänglichen Gebiete aus, um dem Jagddruck oder den Störungen durch die Freizeitgesellschaft zu entgehen.“ Erschwerend kommen die Risiken der Klimaerhitzung hinzu, vor allem schwere Stürme und Schädlinge sowie Waldbrände. Bezirksjägermeister Johann Trinker betont: „Bereits beim ersten Dialog wurde eindeutig festgestellt: Es geht nur gemeinsam. Ein wichtiger nächster Schritt dabei ist, die Gespräche aufrechtzuerhalten und gemeinsam Lösungswege zu finden.“

Ein kleines Live-Experiment im Zuge der Einleitung beim zweiten Dialog bestätigte dies. Dabei konnte jeder Teilnehmende mehrere Stichwörter zum Thema „Wald als Lebensraum vs. Erholungsraum“ online eingeben, welche dann live zu einer sogenannten „Word-Cloud“ zusammengesetzt wurden (siehe Abbildung unten). Das Ergebnis dieser „Wortwolke“ zeigte, wie divers das Thema von den Teilnehmenden wahrgenommen wird. Umso mehr wurde das Ziel der Dialogreihe bestätigt, die unterschiedlichen Sichtweisen und Interessenslagen zu diskutieren, die Probleme und Herausforderungen aber vor allem gemeinsam Lösungswege zu identifizieren.

Bei beiden Dialogen konnten hochkarätige Referenten und Podiumsdiskutanten gewonnen werden: Landesforstdirektor Michael Luidold (Landesforstdirektion Steiermark) zog beim ersten Dialog eine aktuelle Bilanz über den Zustand der Ennstaler Schutzwälder und präsentierte zukünftige Lösungswege, Oberförster Helmut Fladenhofer (Forstverwaltung Meran, Stainz) und Oberförster Josef Zandl (Gutsverwaltung Fischhorn, Kaprun) gaben Einblicke in nachhaltiges Wald-Wildmanagement in Zeiten des Klimawandels in ihren Revieren. Am Podium konnten Obmann Peter Kettner (Landwirtschaftskammer Liezen) und Paul-Josef Colloredo-Mannsfeld (Colloredo-Mannsfeld GmbH) gewonnen werden, welche wertvolle Einblicke in ihre Tätigkeitsfelder gaben. Bezirksjägermeister Johann Trinker (Steirische Jägerschaft) stand bei beiden Dialogen ebenfalls für Fragen und zur Diskussion zur Verfügung.

Als Impulsreferate beim 2. Dialog präsentierten Alexander Maringer (Nationalpark Gesäuse) sowie Klaus Pietersteiner (Plattform „Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben“) Vorzeigebeispiele der erfolgreichen Besucherlenkung im Nationalpark Gesäuse bzw. im Bundesland Tirol und Veronika Grünschachner-Berger referierte darüber, was konkret die Wildtiere stört. Zur anschließenden Podiumsdiskussion wurden zudem Johannes Zeiler (Bezirkskammer Liezen), DI Klaus Tiefnig (Landesforstdirektion Land Steiermark), Andreas Keinprecht, 1. Vorsitzende des Tourismusverband Schladming-Dachstein und Manfred Lindtner, Bezirkssprecher des Österreichischen Alpenvereins und Mitglied der Bergrettung Gröbming geladen.

Wichtige Faktoren aus den beiden Vorzeigebeispielen für die erfolgreiche Besucherlenkung sind unter anderem die Schaffung gezielter Angebote für unterschiedliche Nutzergruppen und Sportarten, ausreichende Parkplätzen an spezifischen Punkten oder auch Analysen bei den Besucher-Hotspots. „Das Anlegen von Skitourenspuren bei Neuschnee, gezielten Beschilderung und Informationen vor Ort haben die Akzeptanz von Ruhezonen für Wildtiere im Nationalpark Gesäuse erhöht, sodass unsere Besucherlenkung im Winter bestens funktioniert.“, freut sich Alexander Maringer. Klaus Pietersteiner ergänzt: „Ein Großteil der Menschen lässt sich leichter lenken, indem anstelle von Verboten und Strafen der freiwillige Verzicht angeregt wird.“ Essenziell sei, alle Nutzergruppen stets einzubinden und zu informieren, auch bei Kindern in Schulen anzusetzen. Im Nationalpark Gesäuse zeigt sich, dass ein viel höheres Bewusstsein in der Bevölkerung erreicht werden kann, wenn sich die EinwohnerInnen vor Ort direkt an den Angeboten und der Arbeit des Nationalparks beteiligen können. Denn eines kam bei der Diskussion über persönliche Erfahrungen aller Teilnehmenden klar heraus: Es sind nicht vorwiegend die Gäste, die sich nicht an Ruhezonen und markierte Wege halten, sondern vor allem die Einheimischen. Veronika Grünschachner-Berger erläutert: „In manchen Gebieten kann man Gämsen direkt neben dem Wanderweg beobachten. Bei geringem Jagddruck und vorhersehbaren Begegnungen haben sie sich an die Menschen am Wanderweg gewöhnt und laufen nicht davon. Trotzdem kann man in einem bestimmten Abstand um die Wege Verhaltensänderungen feststellen. Es wird weniger Zeit in Äsen und Ruhen investiert, die Tiere stehen oder ziehen dafür häufiger. In speziellen Situationen wie strengen Wintern oder im Frühjahr bei der Jungenaufzucht sind Störungen besonders einschneidend. Sie können von nachteiligen Folgen für einzelne Individuen bis letztendlich zur Reduktion eines lokalen Bestandes reichen.“ Die Tiroler Plattform „Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben“ arbeitet in diesem Zusammenhang verstärkt mit Sozialen Medien und Videoclips, um die Jungend zu erreichen. Weiters hat sich seit der Gründung der Plattform herausgestellt, dass in lokalen Arbeitskreisen (allein in 2022 waren es 19 Skitourenlenkungsprojekte) am nachhaltigsten Lösungen gefunden und Projekte umgesetzt werden können. In Tirol wird dies durch die Mitarbeit von Landesbediensteten der Gruppe Forst unterstützt, welche sich für die Koordination der Initiativen von „Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben“ verantwortlich zeigen. Die Diskutanten waren sich einig, dass es im Ennstal ebenfalls eines regionalen Koordinators bedarf, um solche Erfolge zu erzielen.

Tatsächlich gab es in den letzten Jahren auch im Ennstal bereits mehrere Initiativen zur Besucherlenkung, darunter das bezirksweite Regional.Netz.Natur, an welchem sich alle relevanten Akteure engagiert beteiligt und Lösungskonzepte gemeinsam entworfen haben. Leider scheiterte das Vorhaben bislang jedoch an der notwendigen institutionellen Finanzierung wie z.B. einer zentralen Koordinatorin oder eines Koordinators. KLAR! Managerin Natalie Prüggler gibt sich zuversichtlich: „Ich denke, dass durch die inhaltsreichen und vielschichtigen Diskussionen im Rahmen der beiden KLAR! Ennstal Schutzwald-Wild Dialogen ein klares Signal in Richtung Entscheidungsträger und Fördergeber gesendet wurde, dass diese Arbeit fortgesetzt werden muss und rasches Handeln unumgänglich ist. Denn es wurden von den zahlreichen Teilnehmenden nicht nur die Probleme und Herausforderungen intensiv und kontrovers behandelt, sondern auch wieder eine Vielzahl an weiteren Lösungsansätzen skizziert: Für den so dringend notwendigen Erhalt des Schutzwaldes, für ein nachhaltiges Wildmanagement und für die Nutzung durch uns Menschen.“

Download der Vorträge:

Dialog 1:

>> Schutzwald im Ennstal – Status-quo, potenzielle Entwicklung und Lösungswege (Landesforstdirektor DI M. Luidold, Landesforstdirektion Land Steiermark)
>> Balance klimafitter Wald – Wild: Praxisbeispiel klimafitter Wald und nachhaltiges Wildtiermanagement (Oberförster H. Fladenhofer, Forstverwaltung Meran, Stainz)
>> Wildmanagement 2.0: Der Jäger als Dienstleister im Klimawandel? So kann‘s funktionieren: Ein Fallbeispiel der Gutsverwaltung Fischhorn in Kaprun (Oberförster Ing. J. Zandl, Gutsverwaltung Fischhorn GmbH&Co KG)

Dialog 2:

>> Wie gelingt eine nachhaltige Besucherlenkung? – Best Practice aus dem Nationalpark Gesäuse (A. Maringer, Fachbereichsleiter Naturschutz & Forschung, Nationalpark Gesäuse)
>> Best Practice Beispiel Skitourenlenkung: „Bergwelt-Miteinander“ (K. Pietersteiner, Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben, Amt der Tiroler Landesregierung - Gruppe Forst)
>> Wenn die Herzfrequenz steigt: Was stört Wildtiere (V. Grünschachner-Berger, Wildökologiebüro Grünschachner-Berger)

Schutzwald, Wild und Tourismus: Es geht nur gemeinsam!

12.04.2023

(c) Eva Huber

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